jazzzeit Nr. 78, Mai/Juni 2009
Doug Hammond, „einer der großen Helden der amerikanischen Independent-Jazz-Szene“, lebt und wirkt seit Jahren schon in Linz. Hier setzt er zahlreiche Akzente für den Jazz: als (mittlerweile emeritierter) Professor an der Bruckneruniversität, als Veranstalter und demnächst mit einer Auftragsarbeit für Linz09 erneut auch als begnadeter Komponist und Bandleader. Brian Dorsey sprach mit Doug Hammond über seine Auftragsarbeit – und die Kraft der Musik.
Voriges Jahr erst wurde seine „Karlovy Vary (Karlsbad) Suite“ für Flöte, Cello und Klavier im Rahmen des Karlsbader Jazzfests uraufgeführt. Am 25. Mai feiert Doug Hammonds „Acknowledgement Suite“ im Linzer Brucknerhaus seine Weltpremiere. Diese Komposition spannt einen Bogen über ein Jahrhundert der Musikgeschichte und vereint afroamerikanische und afrokaribische Einflüsse mit einem zeitgenössischen Kompositionsstil. Jedes Stück dieses Linz09-Auftragswerkes widmet der Komponist einem wichtigen Menschen in seinem Leben, wie z.B. seiner Mutter; den Saxophonisten Ernest “Zeke” Vann und Ernie Calhoun, die ihm den Weg als professioneller Musiker ebneten und am Anfang seiner Karriere mit Rat und Tat beistanden; anderen Musikerkollegen und Wegbegleitern wie Julian Priester oder Kirk Lightsey.
Die diesjährige europäische Kulturhauptstadt bot Hammond die Gelegenheit eine „Traumband“ mit den Tonkünstlern seiner Wahl zusammenzustellen. Aufgestockt mit sechs Bläsern, besteht das Doug Hammond Tentett aus Dwight Adams (tr), Wendell Harrison (cl/bcl), Roman Filiu (as) Stéphane Payen (as), Jean Toussaint (ts), Dick Griffin (tb), Kirk Lightsey (p), Aaron James (b), Howard Curtis (d), und der Maestro selbst (dr/conductor). „Für größere und kleinere Ensembles habe ich in New York und Detroit schon komponiert“, freut sich der dynamische 66-Jährige. „Aber was dieses Ensemble von den anderen unterscheidet, die ich in den letzten 20 Jahren geführt habe, ist erstens, die Qualität der Musiker und zweitens, dass sowas schon lange nicht mehr zustande gekommen ist. Die Kombination dieser Musiker lässt diese Musik leben.“
Seine ersten kompositorischen Schritte unternahm Hammond in der Howard W. Blake Junior High School for the Performing Arts in seiner Heimatstadt Tampa, Florida. Dort genoss er eine fundierte musikalische Ausbildung in Klassik und Marching Band Musik und spielte Kompositionen von Art Blakey’s Jazz Messengers und Julian „Cannonball“ Adderley. Kompositorische Einflüsse sind ebenso reichlich vorhanden: u.a. Tschaikowsky, Ravel, Debussy, Ellington, Strayhorn, Tadd Dameron, Don Redman, Billy Moore, Sam Rivers. Bereits Mitte der 60er Jahre, als er bei O.C. Smith engagiert wurde, schrieb Hammond Stücke für Fagott und Melodica um mit Kirk Lightsey gemeinsam zu spielen. Nach beinahe einem halbem Jahrhundert als Profimusiker, wird Doug Hammond als „einer der großen Helden der amerikanischen Independent-Jazz-Szene“ bejubelt und immer öfter auch „Legende“ genannt. Wie steht er selbst dazu? „Ich betrachte mich selber als einfachen Arbeiter“, kommentiert Hammond. „Musik für die Menschen will ich zur Verfügung stellen, damit sie diese live erleben können. Anerkennung ist schon in Ordnung, positive Resonanz durch die verschiedenen Preisen… Diese raren Momente sind gut und tun gut, aber Anerkennung habe ich nie gesucht. Ich will einfach nur gehört werden. Und wenn ich ‚ich‘ sage, geht es eigentlich nicht um mich, sondern um das ‚wir‘, um die Musiker, die diese Musik spielen. Wann das, was wir machen, geschätzt, gemocht, von den Zuhörern geliebt wird, bedeutet es mir viel mehr. Außer meinen Kindern muss ich niemanden etwas beweisen. Wenn ich beachtet werde, aber keine Musik spielen kann, ist es völlig bedeutungslos.“
Und die Bedeutung von Musik? “Ich glaube, dass Musik etwas ist was die Menschen brauchen, und was wir damit machen ist von Nutzen. Je mehr das geschehen kann, desto mehr hat mein Leben für mich Bedeutung. Die Musik ist wie die Luft… Und seit tausenden von Jahren ist sie ein Teil unserer Kultur. Was anderes zu machen, dass für mich Sinn macht, kann ich mir nicht vorstellen. Weiterhin möchte ich vorwärts gehen, mehr Musik machen, mit mehreren Künstlern in mehreren Teilen der Welt zusammenarbeiten.“
Vorwärts gehen, d.h. auch auf der Suche nach Neuem? „‚Neu‘ ist immer ein altes Wort in jeder Sprache. Diese Idee ‚alt‘ oder ‚modern‘ zu sein, passt mir überhaupt nicht. Jeden Morgen, wenn ich aufwache, bin ich ‚modern‘. Solange ich lebe, bin ich modern, und sogar das reicht nicht aus. Und Jazz ist eine Musik, die Rassismus nicht zulässt, rein aus ihrer Entstehung. Für mich repräsentiert der Jazz nicht nur die Möglichkeit der Freiheit, sondern auch des Abenteuers. Nach wie vor fühle ich mit ganzem Herzen, dass die Musik das einzige ist, was unseren Planeten retten kann. Meine Absicht ist die bestmögliche Musik vorzustellen und sie in diese Welt hinauszutragen. Dort wo wir spielen und mit dem Publikum kommunizieren, ‚spielen‘ sie auch mit uns. Wenn es uns als Gruppe von Musikern gelingt, den Zuhörern ein musikalisches Erlebnis, ein Abenteuer in Klang und Vision zu verschaffen, dann haben wir unser Ziel erreicht.“
Brian Dorsey
Vor neunzehn Jahren wohnte Hammond hoch über den Linzer Dächern im Bildungshaus St. Magdalena. Eines Tages stand er mit Bildungshausdirektor Roland Spitzlinger zusammen und sie erfreuten sich an dem Panorama der Stahlstadt, das ihnen von hier aus geboten wurde. Spaßes halber fragte Doug, warum Spitzlinger hier nicht „jazz on the mountain“ veranstalte? Spitzlinger nahm den Vorschlag auf und gründete die mittlerweile seit 16 Jahren bestehende Konzertreihe „Jazz am Berg“. „Das erste Konzert bestritt mein Quartett mit Regina Carter an der Geige, Wendell Harrison am Saxophon und an der Klarinette und Muneer Abdul Fataah am Cello“, erinnert sich Hammond. „Wir bieten eine große musikalische Qualität, obwohl wir nicht immer die großen Namen haben. Beim Jazz am Berg gastierten Interpreten wie Mal Waldron, Cedar Walton, Fritz Pauer, Sonny Simmons, Sheila Jordan, Cecil McBee, Horace Parlan, Kirk Lightsey, Vincent Herring, Andy Scherrer, Heinz Sauer, Louisiana Red - und das ist nur ein Bruchteil dieser großartigen Spielerliste. Wir haben wohl das beste beständige Programm für akustischen Jazz und Blues in der Gegend.“ (bd)
Website
www.bz-magdalena.at
Doug Hammond
(with Kirk Lightsey)
A Real Deal
(Heavenly Sweetness)
The Doug Hammond Trio
(with Dwight Adams and Pablo Nahar)
Singing Smiles
(Idibib Records)
Doug Hammond
(with Regina Carter, Dwight Adams, Wendell Harrison, Marion Hayden)
It’s Born
(JPC Records)
Doug Hammond (with Steve Coleman, Byard Lancaster, Kirk Lightsey, Muneer A. Fataah)
Spaces
(DIW Records)
The Original Doug Hammond Trio featuring Steve Coleman & Muneer A. Fataah
Perspicuity
(Bellaphon/L+R Records)
Website
http://www.doughammond.org
An Adventure in Sound and Vision | Doug Hammond